
Wir sollten reden. Über eine mögliche Lageentwicklung.
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21. Februar 2022Über menschliche Leuchttürme und Nieten, die die Corona-Krise ans Licht gebracht hat.
Die Corona-Krise funktionierte wie eine Lupe. Alles, was bis anhin in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten gut gelaufen ist, läuft jetzt noch besser. Alles, was bis jetzt schlecht gelaufen ist – unliebsame Themen, die man nicht angehen wollte, Konflikte und Grabenkämpfe, die nicht behoben wurden oder ungeklärte Zuständigkeiten und Kompetenzgerangel – das kommt nun gnadenlos an die Oberfläche.
Die Corona-Krise bringt Führungsdefizite genauso ans Tageslicht wie Management-Glanzleistungen. Leuchttürme und Nieten kristallisieren sich ziemlich rasch heraus. An und für sich ist das in Krisen nichts Neues. Dieses Phänomen begegnet mir in meinem Berufsalltag als Krisenmanagerin immer wieder, aber so schonungslos wie jetzt während der Corona-Krise habe sogar ich das noch nicht erlebt. Angefangen hat alles mit der Ernsthaftigkeit. Ab wann hat sich wer mit welcher Ernsthaftigkeit dem Thema Pandemie gewidmet? Da gab es solche, die fanden das komplett übertrieben, andere nahmen es frühzeitig ernst, haben hingeschaut und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Das heisst, sie haben im Unternehmen Verzichtsplanungen durchgeführt, den Minimalbetrieb definiert, Teams gesplittet, der internen Kommunikation das nötige Gewicht verliehen, Schutzkonzepte angepasst oder Produktionsabläufe umgestellt. Was denken Sie, für welche Gruppe war die Corona-Bewältigung einfacher?
Nach der Krise ist vor der Krise
Die Geschäftsleitungen, die sich rechtzeitig der Thematik Pandemie gewidmet haben, sind jetzt wahrscheinlich auch diejenigen, die sich Gedanken machen, welche Lehren und Erkenntnisse sie aus der Corona-Krise ziehen können. Denn sie sind sich bewusst, dass zwar diese Phase der Pandemie bewältigt ist, jedoch niemand weiss, was die Zukunft bringt und vorbereitet sein, lohnt sich ja bekanntlich. Diese Gruppe von Führungskräften widmet sich jetzt nicht nur der Eventualplanung für die Zukunft und passt die Pandemiepläne dort an, wo es nötig ist. Die Gruppe hat auch die anderen Unternehmensrisiken auf dem Radar. Denn sie wissen, dass auch andere Risiken jederzeit eintreffen können und dass man den Blick auf das «Undenkbare» nicht vergessen darf.
Die Rolle des Verwaltungsrates in der Corona-Krise
Gewisse Verwaltungsräte fühlen sich in Krisen manchmal dazu berufen, ins operative Geschäft einzugreifen. Ihre Aufgabe ist jedoch die Oberaufsicht und sich den strategischen Themen zu widmen. Zur Oberaufsicht gehört gerade in der Corona-Krise die Kontrolle, dass die Vorschriften zur Bekämpfung und Eindämmung der Pandemie richtig umgesetzt werden oder die Liquidität und Liquiditätsplanung zu überwachen. Und was aus meiner Sicht immer auch zur Verantwortung des Verwaltungsrates gehört, ist, für die Geschäftsleitung da zu sein. Gute Entscheidungen im Management hängen stark auch vom emotionalen Zustand der Führungsverantwortlichen ab. Die Verantwortung eines Verwaltungsrates geht über betriebswirtschaftliche, rechtliche und unternehmerische Pflichten hinaus. Er hat auch emotionale Pflichten, zum Beispiel den CEO oder die GL zu fragen, wie es ihnen geht. Dafür zu sorgen, dass die Unternehmensführung die Unterstützung bekommt, die sie braucht.
Braucht es nach Corona neue Kompetenzen im Verwaltungsrat?
Es braucht vielerorts ein neues, anderes oder erweitertes Bewusstsein in Verwaltungsräten. Betriebswirtschaftliches und rechtliches Wissen allein wird nicht mehr reichen. Die Welt und alles, was sich darin bewegt, wird komplexer – in sachlicher und emotionaler Hinsicht. Es braucht Verwaltungsräte mit einer ernsthaften Affinität zu Risiken, einem ausgeprägten Krisensensorium, der Fähigkeit sich mit möglichen Szenarien und den dazugehörigen Eventualplanungen auseinanderzusetzen und anspruchsvolle Themen kommunikativ adäquat umzusetzen. Es braucht Verwaltungsräte, die in der Lage sind, Ratio und Emotion zu verbinden. Nötig ist eine neue Diversität in Verwaltungsräten. Es braucht definitiv keine Mandate-Sammler und -Jäger mehr, die nicht die notwendige Ernsthaftigkeit aufbringen, sich in Krisen voll und ganz für das Unternehmen einzusetzen.
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