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Warum wir in Zukunft vermehrt mit Pandemien & Epidemien rechnen müssen

Beitragsbild Pandemien

Die Corona-Pandemie ist noch nicht ganz überstanden. Australien kämpft derzeit gegen eine der schwersten Grippewellen überhaupt und nun tauchen vermehrt Fälle des Affenpocken-Virus in der ganzen Welt auf. Die Situation könnte sich im Herbst auch für die Schweiz wieder anspannen.

Jahrzehnte lang hatte die Schweiz mit keiner Epidemie oder Pandemie zu kämpfen. Warum häufen sich nun die Meldungen über auftretende Viruserkrankungen? Genau das wollten wir vom Tierseuchenexperten Patrik Buholzer wissen.


Herr Buholzer, Sie beschäftigen sich tagtäglich mit übertragbaren Krankheiten. Warum haben wir gegenwärtig häufiger mit Viren bzw. Krankheiten tierischen Ursprungs zu kämpfen?

Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die Zunahme von Viren bzw. Krankheiten tierischen Ursprungs hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: Expansion, Klimaveränderung und Verhalten.
Der Mensch breitet sich zunehmend aus und beansprucht immer mehr bisher unberührte Lebensräume. Sei es durch Siedlungen oder zur Produktion von Nahrungsmittel. Dies führt zu einem vermehrten Kontakt zwischen Menschen, Haus-, Nutz- und Wildtieren und damit auch zu mehr Chancen einer Übertragung von Krankheiten zwischen ihnen. Aber auch die Klimaveränderung trägt dazu bei, dass sich Vektoren (z.B. Stechmücken oder Zecken) mit ihren Erregern in neue Gebiete ausdehnen. Bei dieser Expansion kann es auch zu einer Durchmischung mit anderen, heimischen, kompetenten Vektoren, also Vektoren, die für einen bestimmten Erreger geeignet sind, kommen und dies führt dann wiederum zu einer Etablierung des Erregers und dessen Weiterverbreitung. Aber auch das Verhalten von Wildtieren, wie z.B. Zugvögel, verändert sich durch den Klimawandel, was sich ebenfalls auf die Übertragung von Zoonosen, Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, auswirkt.
Weiter leben wir in einer stark vernetzten Gesellschaft – sowohl Personen als auch Güter können innerhalb kürzester Zeit von einem Ort auf der Welt zu jedem anderen Ort gelangen. 
All diese Faktoren und noch viele andere, führen zu einem vermehrten Auftreten neuer Erreger bzw. zum Auftreten bekannter Erreger in neuen Regionen.

Das Affenpocken-Virus gibt es seit Jahrzehnten in Afrika – allerdings kam es bisher noch nie zu so zahlreichen Übertragungen ausserhalb Afrikas. Warum also jetzt?

Das Affenpocken-Virus, was eigentlich eine irreführende Bezeichnung für das Virus ist, da es vor allem in Nagetieren und anderen kleinen Säugetieren vorkommt, kennt man schon lange. In zentral- und westafrikanischen Ländern ist es endemisch und verursacht immer wieder lokale Ausbrüche. Ausserhalb Afrikas kam es bisher nur sporadisch zu Ausbrüchen, welche reiseassoziiert oder auf den Import infizierter Haustiere zurückzuführen war und jeweils nur wenige Leute betrafen. Seit einiger Zeit konnte allerdings ein Anstieg der Fälle in Zentral- und Westafrika beobachtet werden, welcher in Kombination mit den wiedergewonnen Reisefreiheiten und der Durchführung von Grossanlässen wahrscheinlich zu einer weiten Verbreitung des Erregers beigetragen hat. Aber auch die Stigmatisierung von Menschen mit bestimmten sexuellen Neigungen, das zögerliche Handeln und nicht konsequente Eindämmen, haben dazu geführt, dass das Virus immer mehr Menschen – bis heute über 50‘000 – infiziert hat. Glücklicherweise sind die Fälle im Moment rückläufig. Allerdings sind auch vermehrt Infektionen ausserhalb der vermeintlichen Gruppe von Männern, die Sex mit Männern haben, zu beobachten. Noch wichtig zu erwähnen; Affenpocken sind nicht eine sexuell übertragbare Krankheit, sondern eine, die durch engen Kontakt übertragen werden kann.

Berichte über Viruserkrankungen häufen sich. Nebst dem Coronavirus und den Affenpocken gibt es Fälle von Diphtherie und Polio. Auch die Vogelgrippe ist wieder vermehrt auf dem Vormarsch. Was sind aus Ihrer Sicht mögliche Szenarien für den Herbst / Winter? Worauf müssen sich Unternehmen einstellen?

Wir werden uns vermehrt mit Viren und auch anderen Erregern auseinandersetzen müssen, auch solchen, die wir bis anhin nur von fernen Ländern kennen wie z.B. das Zika- oder das Dengue-Virus. Es wird immer wichtiger sich entsprechend vorzubereiten und verschiedene Massnahmen bereit zu haben, die bei Bedarf, zielgerichtet und situationsadäquat aktiviert werden können. Dadurch können Personal- und somit auch Produktionsausfälle verringert werden und die Angestellten geschützt werden. 

Australien befindet sich derzeit in der Wintersaison und erlebt gerade eine der schwersten Grippewellen überhaupt. Ist das ein Omen für unseren Winter?

Australien steht vor dem Ende der schlimmsten Grippesaison seit fünf Jahren. Dies ist für die nördlichen Hemisphäre kein gutes Zeichen, da der Trend in der südlichen Hemisphäre erfahrungsgemäss als Vorbote für die nördliche gilt.
Das heisst, dass wir uns dieses Jahr mit mindestens zwei Viren, dem Influenzavirus und dem Coronavirus, werden beschäftigen müssen. Beide Viren werden höchstwahrscheinlich zu Personalausfällen und dadurch zu Einschränkungen im täglichen Leben führen.

Sehen Sie eine Möglichkeit, wie sich solche Ausbrüche in Zukunft verhindern liessen? Insbesondere zur Verhinderung von weiteren Zoonosen?

In den letzten 30 Jahren wurde ein starker Anstieg von neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen beobachtet. Von diesen sind über 70% zoonotisch, werden also vom Tier auf den Menschen übertragen. Um diesen Trend zumindest zu bremsen, muss es in verschiedenen Bereichen zu einem Umdenken kommen. Wir müssen Lebensräume nicht nur erhalten, sondern wieder erschaffen und mit ihnen die Biodiversität wieder erhöhen. Wir müssen sparsamer mit unseren Ressourcen umgehen und in nachhaltigere Lösungen in allen Bereichen des Lebens investieren. Wir brauchen einen weltweiten Zugang zu genügend Nahrung und zu einer medizinischen Grundversorgung. Erst auf eine Bedrohung zu reagieren, wenn diese unsere Breitengrade erreicht, ist in einer so stark vernetzten Welt nicht ausreichend. Vorbereitung, Beobachtung und Prävention werden immer wichtiger. Wir müssen gemeinsam die Herausforderungen angehen und jeder kann seinen Beitrag dazu leisten.


Wenn Sie mehr dazu lesen möchten, wie Sie mit Personalausfällen in Ihrem Unternehmen umgehen können, merken Sie sich die Oktober Ausgabe vom «ORGANISATOR» vor! Patrik Buholzer und unsere CEO Bettina Zimmermann geben dazu Auskunft. Die Ausgabe erscheint am 25. Oktober 2022. Nicht verpassen!

P. Buholzer

Über Patrik Buholzer

Patrik Buholzer studierte Biochemie und organische Chemie an der ZHAW und besitzt einen Executive MBA der Universität St. Gallen. Durch langjährige, internationale Erfahrung im Bereich Tierkrankheiten und Tierseuchen und insbesondere durch seine Tätigkeit in internationalen Diagnostikunternehmen verfügt er über ein umfassendes Wissen im Gebiet der Nutztierkrankheiten und der Veterinärdiagnostik sowie deren Anwendung in verschiedensten Bereichen.
Seit August 2019 ist er als Co-CEO bei SAFOSO tätig, wo er sich den Herausforderungen im Bereich der Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit stellt.

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